Über Kopfsteinpflaster vorwärts zu kommen, ist mitunter mühsam. Zu kleine und harte Räder rollen nicht gut, Absätze bleiben stecken, bei Regen wird es rutschig und dicke Autoreifen sind sehr laut. Aber wie muss sich erst das Kopfssteinpflaster selbst fühlen! "Kleiner weißer Hund auf samtenen Pfoten naht" - da strahlen die Clowninnen. "LKW" von vorne" - da kneifen sie am besten die Augen zu und hoffen, dass er bald vorbeigefahren ist. "Frau mit Kind an der Hand" - da gucken sie ganz neugierig und wollen am liebsten mitgehen.

Die Szene ist bei unserer Sommerwoche Clownerie - für Geübte im Clowntheater im Juli 2023 in Ratzeburg entstanden. Dieses Städtchen ist klein und von lauter Seen umgeben, es liegt auf einer Halbinsel, mit viel Grün - und einem Marktplatz durch den sich die Hauptstraße zieht. An einem Nachmittag haben wir die Stadt studiert, nach Mustern und Bewegungen gesucht. Zwei Tage später waren wir schon mit Szenen unterwegs. Wo Bäume gefällt worden waren, sind Clowns* auf die noch vorhandenen Baumstümpfe gestiegen. Wo in einem Hinterhof Mülleimer standen, haben sich Clowns* farblich passend dazugesellt. Die Spalierobstwand wurde durch vier weitere exotische Bäumen mit roten Nasen ergänzt. Die vielen Wegweiser waren auf einmal lebendig. Gotische Fensterbögen tanzten über den Bürgersteig. Stockrosen luden ein, sich dazuzustellen. Eine Skulptur vor der Sparkasse, die Hände an den umgestülpten leeren Hosentaschen, fand selbstverständlich sofort Begleitung.

Fotos mit Eindrücken von den verschiedenen Szenen gibt es auch in meinem Instagram Kanal unter clownistin.

Auf clowneske Weise haben wir die Stadt gelesen und uns ganz in sie hineingestellt. Wir haben uns auf die Bänke vor dem Seniorenhaus gesetzt und haben durch die offenen Fenster und Türen zusammen gesungen. Auf dem Marktplatz setzten wir uns zu den einzelnen versprengten Menschen und füllten anschließend den Platz mit lebendigen Skulpturen, mit Musik, mit Sprüngen und mit Tanz.

Schrieb ich schon, dass die Stadt klein ist? Und dass nur wenige unterwegs sind. Wir waren auch unterwegs und fanden immer Publikum, selbst in einem Hinterhof, auf der Durchgangsstraße am Marktplatz oder in einem etwas abgelegenen Park am See. Wir hatten es gehofft, konnten es aber nicht erahnen: Sie strahlten uns an, blieben stehen, staunten, hielten ihr Auto an, winkten, kamen ein Stück mit uns mit.

Man nennt so etwas einen Walk-act, spielen beim Unterwegs sein. Spielen mit allem, was da ist. Die Anderen, die ebenfalls unterwegs sind, einbeziehen, ohne sie zu bedrängen. Klar, wir waren viele und bunt, offen und mit einem Lächeln im Gesicht, allein dadurch verströmten wir gute Laune. Aber wir haben nicht Theater gespielt, in dem wir die Menschen herangelockt und etwas aufgeführt hätten. Wir haben die Stadt auf clowneske Weise gespiegelt, zum Ausdruck gebracht, uns hineingepflanzt. Eben wir diese drei Clowninnen mit ihrer brillanten Idee, das Kopfsteinpflaster zu verstehen und zu Gehör zu bringen.