" 'Ich will, dass es ein Paradies gibt, Claudio', sagte Macolieta und schaute einer Kaninchenwolke nach, der ein Löwenschwanz wuchs."
Das sagt der Clown Macolieta in dem überraschenden Buch des berühmten Opernsängers Rolando Villazón über drei erfolglos Erfolg suchende Clown. "Kunststücke" heißt dieser, sein erster Roman, und es mag einem so vorkommen, als habe er neben seiner Karriere als Sänger auch eine als Clown, so gut kennt er die Tücken dieser lustigen Zunft. Die Drei sind ein witziges Gespann. Claudio ist belesen und zitiert wie aus dem Nichts Philosophen, ein langer, schlagsiger Kerl, der aus Verlegenheit dann auch mal mitspielt und ganz gut ankommt. Max ist der Spielpartner von Macolieta, der alle in einem kleinen, gelben Auto in einem atemberaubenden Fahrstil durch die Gegend chauffiert, wobei Yellow Submarine von den Beatles in voller Lautstärke ertönt. Und der Held der Geschichte ist unglücklich verliebt, lebt mit einer Spinne als Haustier und einer Sonnenblume als Hauspflanze, dazu mit allerlei verstreuten Utensilien wie Schminktöpfchen, Jonglierbällen etc.
Meist bestehen ihr Engagements aus Kindergeburtstagsfeiern, der große Ruhm bleibt aus. Aber würde der wirklich alles zum Guten wenden?
Der Ruhm, was bedeutet er überhaupt? Die "Verzweiflung vor dem Nichts", die "scheinheilig mit Scheinwerferlicht und Flitter" (S. 45) verkleidet wird? So dass am Ende nur die eine Verzweiflung mit der anderen ausgetauscht wird? Überhaupt, woher kommt "dieser maßlose Kampf ums Gesehenwerden und Berühmtsein, der heutzutage überall tobt?" (ebd.)
Weil alles auf Konsum ausgerichtet ist, auf kaufenkaufenkaufen und dann wegwerfenwegwerfenwegwerfen und wieder kaufenkaufenkaufen ...
Als würde irgendwo und irgendwann die Sehnsucht ganz gestillt werden können, in einem erträumten Paradies.
"Ich will, dass es ein Paradies gibt, Claudio", sagte Macolieta und schaute einer Kaninchenwolke nach, der ein Löwenschwanz wuchs.
"Wozu?"
"Damit man ein Ziel am Ende seines Weges hat."
"Ziele sind nur Vorwände, um Linien dahin ziehen zu können. Nicht einmal Linien existieren wirklich, Macolieta. Die einzige Wirklichkeit liegt in dem Verb ziehen." (S. 54)
Die Antwort weiß Macolieta eigentlich schon selbst, denn er ist Clown. In der Clownerie kommt es auf die Begegnung miteinander an. Die "öffentliche" Person muss dabei keine Rolle spielen. Das Einzige, worauf sich alle dann besinnen können, ist das Spiel. (S.224) Darin ereignet sich das "ziehen": Im Miteinander ausprobieren, sich Aufeinander einlassen, sich Gegenseitig inspirieren, sich Selbst vergessen und irgendwie anders wiederfinden, wieder Verlieren ... Darin zeigt sich, wie ich es lese, die Lebensphilosophie, die Rolando Villazón vorstellt. Kein auf Zukunft und Erfüllung hin orientiertes Schaffen und Hoffen und Kämpfen, kein Sturz von einem Projekt zum anderen, keine falsche Begeisterung. Vielmehr das Spiel im Hier und Jetzt und Miteinander. Das übrigens auch unter Wahrung von Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden kann. Nähe auf Distanz halt. Beispielsweise mit Clownerie-webinaren J.
In der Mitte seines Buches lässt Rolando Villazón seinen Helden Macolieta sagen: "Der Mensch ist Philosoph und Clown zugleich." (S. 132)
Und damit ist natürlich nicht gesagt, dass alles immer spielend leicht geht!